Gesellschaft

Schwere Missbrauchs-Vorwürfe gegen die Hilfsorganisation SOS-Kinderdorf

In 20 Ländern in Afrika und Asien sollen in SOS-Kinderdörfern Kinder und Jugendliche Opfer von Gewalt und sexuellem Missbrauch geworden sein. Geschäftsführerin Elisabeth Hauser berichtete von "schwerem Fehlverhalten von Mitarbeitern". Eine Kommission ermittelt.
Schwere Missbrauchs-Vorwürfe gegen die Hilfsorganisation SOS-KinderdorfQuelle: www.globallookpress.com © Philipp Schulze/dpa

SOS-Kinderdorf-Geschäftsführerin Elisabeth Hauser kommentierte die Vorwürfe und sprach im Portal oe24.at über "schweres Fehlverhalten von Mitarbeitern". Kindern wurde demnach "Gewalt angetan, bis hin zu sexuellem Missbrauch", sagte sie. Sie versicherte eine "schonungslose und transparente Aufarbeitung" der Vorfälle. Welche Länder genau betroffen sind, gab sie aber ebenso wenig bekannt wie die Zahl der bisher bekannten Opfer. Die Zahl der Betroffenen dürfte sich laut ihr "sehr klein halten".

Die ehemalige steirische Landeshauptfrau und Leiterin der Unabhängigen Opferschutzkommission (UOK) der katholischen Kirche, Waltraud Klasnic, leitet eine unabhängige Kommission zur Überprüfung der Anschuldigungen.

Die Untersuchung habe bereits vor drei Jahren begonnen, so Hauser. Die Vorfälle würden sie erschüttern. Es wurde demnach "eklatant gegen Werte und Standards verstoßen". Pikant: Mitarbeiter in den einzelnen Ländern, die die Vorfälle früher ansprachen, seien "rausgedrängt worden, und den Kindern wurde nicht geglaubt". Das sei eine "untragbare Situation". Die Vorfälle reichen "bis in die 90er-Jahre oder in die jüngere Vergangenheit zurück", sagte Hauser. 

SOS-Kinderdorf wisse seit Anfang 2020 von 22 Fällen, die nicht konsequent genug untersucht worden sein sollen. In 2019 hat SOS-Kinderdorf weltweit 328 der mehr als 40 000 Mitarbeiter ermittelt, die ihnen anvertraute Kinder und Jugendliche physisch und psychisch verletzt, vernachlässigt oder sexuell missbraucht haben. Als einen leichteren Fall nannte sie ein Kind, dessen Leistungen in der Schule sich verschlechtert hätten. Dann sei es eingesperrt worden und habe die eigenen Eltern nicht mehr besuchen dürfen. Für die Opfer wurde ein Entschädigungsfonds in Höhe von zehn Millionen Euro eingerichtet.

Ein weiterer Vorwurf betrifft Mitarbeiter von SOS-Kinderdorf International, die Spendengelder angeblich veruntreut haben sollen. Hier nannte Hauser ein Beispiel bei einem Vergabeverfahren eines Bauprojekte. Angeblich seien hier Verwandte der Auftraggeber bevorzugt  worden.

Der langjährige SOS-Kinderdorf-Chef für Brasilien, Georg Rodenbach, sagte gegenüber RT DE:

"Diese schlimmen Vorwürfe müssen restlos aufgeklärt werden. Die Täter wissen ja gar nicht, was sie damit nicht nur bei ihren Opfern anrichten. Auch das Vertrauen der Spender ist damit schnell zerstört. Das trifft dann die Ärmsten der Armen doppelt, wenn die Spendengelder ausbleiben." 

Waltraud Klasnic wolle alles nun tun, dass Ordnung hergestellt werde. Einige Unterlagen habe sie schon gesichtet, kommende Woche soll sich die Kommission konstituieren. Sie sagt:

"In einem ersten Schritt muss rasch festgestellt werden, in welchen Fällen personelle Konsequenzen gezogen oder strafrechtliche Ermittlungen angestoßen werden müssen. In einem zweiten Schritt werden wir klare strukturelle Empfehlungen zur Veränderung der Organisation erarbeiten."

Vergleichbare Missstände sollten in Zukunft rasch identifiziert, aufgeklart und nötigenfalls sanktioniert werden. Elisabeth Hauser erklärte:

"Wir setzen uns für einen schonungslosen Veränderungsprozess der gesamten Organisation ein und werden uns an die definierten Kriterien und Empfehlungen der Kommission verbindlich halten. Wenn einzelne Länderorganisationen diesen Weg nicht mitgehen, halten wir uns die Möglichkeit offen, ihnen in aller letzter Konsequenz das Recht, unter dem Namen von SOS-Kinderdorf zu arbeiten, zu entziehen."

SOS-Kinderdorf ist weltweit als Föderation organisiert, unter dem Dach von SOS-Kinderdorf International. Die Initiative wird auch mit Mitteln aus dem Bundesentwicklungshilfeministerium unterstützt. Die SOS-Kinderdorf-Organisationen in den einzelnen Ländern können weitgehend autonom entscheiden und handeln. Hinzu kommt, dass es auch in der Struktur der Dachorganisation SOS-Kinderdorf International offensichtlich Mängel gibt. "Es gibt auch Vorwürfe, dass Führungskräften von SOS-Kinderdorf International ein Teil der Vorfälle bekannt war und die Aufarbeitung und Verfolgung unterdrückt wurde", sagte Hauser.

Ob es gegen Mitarbeiter bereits personelle Konsequenzen gegeben hat, könne sie im Einzelfall nicht sagen. Das müsse jetzt untersucht werden. SOS-Kinderdorf International habe ebenfalls bereits Schritte eingeleitet. Eine Sonderkommission soll die Vorfälle prüfen. Die von Klasnic geleitete Kommission hat bereits eine E-Mail-Adresse eingerichtet, an die sich Menschen wenden können, um Vorfälle bei SOS-Kinderdorf außerhalb von Österreich zu melden: klasnic@childprotection.at. 

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