Chef der deutschen Marine zeigt Mut zu eigener Meinung: "Russland verdient Respekt"
Ein Gutteil der deutschsprachigen medialen und politischen Twitter- und Facebook-Gemeinde tobt und ist in Rage: Der Chef der deutschen Marine hat sich eine Meinung zu Russland erlaubt, und diese ist nicht jene, die ihm die Propagandisten des deutschen Mainstreams eintrichtern wollten.
Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach, Inspekteur der deutschen Marine, weilt derzeit zu einem Dienstbesuch in Indien. Teil des Programms war neben einem Treffen mit seinem indischen Amtskollegen ein Gespräch mit Vertretern eines bekannten geopolitisch ausgerichteten indischen Thinktanks. Das Video des anderthalbstündigen Gesprächs ist öffentlich. Es war ein tiefgründiges Gespräch, bei dem die indischen Sicherheitsexperten ihre Sorgen ob der propagandistischen und militärischen Eskalation gegen Russland äußerten.
Nicht nur sie zeigten sich verblüfft, dass der deutsche Admiral ihnen im Großen und Ganzen zustimmte. Weil sein in gutem Englisch gehaltenes Statement so gar nicht zur offiziellen Propagandalinie in deutschen Medien und Amtsstuben passt, geben wir es in großen Teilen wieder:
"Was denke ich, was Russland wirklich will? Ist Russland wirklich daran interessiert, diesen kleinen Streifen ukrainischen Bodens zu haben, ihn sogar dem Land einverleiben? Nein, das ist Blödsinn. Ich denke, Putin übt wahrscheinlich Druck auf uns aus, weil er das tun kann. Er weiß, dass wir gespalten sind. Er spaltet die Europäische Union. Aber was er wirklich will, ist Respekt. Er will eine Beziehung auf Augenhöhe, er will Respekt. Und mein Gott, etwas Respekt zu geben, kostet nicht viel, sogar gar nichts.
Wenn ich also gefragt würde, dann sage ich, es ist leicht, ihm den Respekt zu erweisen, den er verlangt – und wahrscheinlich auch verdient. Russland ist ein altes Land, Russland ist ein wichtiges Land. Auch wir, Indien und Deutschland, wir brauchen Russland. Denn wir brauchen Russland gegen China."
Nach Auffassung Schönbachs ist ein gutes Verhältnis zu Russland für den Westen und Indien, die eine strategische Gegnerschaft zu China vereint, unerlässlich:
"China braucht die Ressourcen Russlands. Und sie sind bereit, sie zu geben, weil unsere Sanktionen manchmal in die falsche Richtung gehen."
Auch zu der Frage der Perspektiven der zwischen 1954 und 2014 administrativ zur Ukraine gehörenden Halbinsel Krim äußerte sich der Offizier:
"Die Halbinsel Krim ist weg, sie wird nie mehr [zur Ukraine] zurückkehren, das ist eine Tatsache. Und wir müssen lernen, dass Politik eine Frage der Fakten ist, nicht der Emotionen."
Immer wieder spannend, was für pragmatischen Blick, im Gegensatz zu Politik & Medien, #Bundeswehr-Generäle auf #Russland haben: Gestern sprach Kay-Achim Schönbach, Chef der 🇩🇪Marine mit🇮🇳#Thinktank. Aussagen:1. Russland verdient Respekt 2. Wir brauchen🇷🇺gegen 🇨🇳3. Krim ist🇷🇺. pic.twitter.com/SkKKtfB6Dc
— Florian Warweg (@FWarweg) January 22, 2022
Schon gegen Mitternacht setzte ein Shitstorm in sozialen Medien hierüber ein. Als einer der Ersten twitterte der in antirussischer Rhetorik besonders engagierte Ralph Fücks, Ehemann der ehemaligen grünen Abgeordneten und Scharfmacherin in der Ukraine-Krise Marieluise Beck, sarkastisch:
"Ganz große Geopolitik, echter Stratege!"
Matthieu von Rohr, der für den Spiegel schreibt, äußerte sich nicht minder angewidert:
"Der deutsche Vizeadmiral Kay-Achim Schönbach (Inspekteur der Marine) fährt nach Delhi – und gibt dort on the record seltsame Privattheorien zur Weltpolitik zum Besten. At a loss for words."
Freundlichere Stimmen gab es von weniger exponierten Twitter-Usern. Ein Tweet forderte gar:
"Schönbach for president!"
Freundlich bis neutral kommentiert die indische Presse die Worte des Admirals. So titelte das Blatt Hindustan Times:
"Ungewohnte Bemerkungen des deutschen Marine-Chefs".
The #German Navy chief, Vice Admiral Kay-Achim Schönbach, has said he doesn’t believe #Russia intends to occupy #Ukraine(reports @Rezhasan )https://t.co/Q8V9czgOkO
— Hindustan Times (@htTweets) January 22, 2022
Indien selbst ist in seiner Politik auf Ausgleich und freundschaftliche Beziehungen mit Russland bedacht. Dagegen ist die Beziehung zu China immer noch vom lang andauernden Konflikt um Grenzziehungen in entlegenen Bergregionen geprägt. Immerhin arbeiten beide Länder im Rahmen der BRICS zusammen.
Der 56-jährige Schönbach ist seit dem 24. März 2021 Inspekteur der deutschen Kriegsmarine. Zuvor hatte er unter anderem als Stabsoffizier und Referent im Bundesministerium für Verteidigung gedient und war von 2016 bis 2021 Flottillenadmiral. Er befehligte einen gemeinsamen maritimen Einsatzverband der NATO im Mittelmeer.
Am Nachmittag meldete sich Schönbach mit folgendem Twitter-Eintrag zu Wort:
Unbedacht, fehleingeschätzt in der Situation, hätte ich das so nicht tun dürfen. Da gibt es nichts zu deuteln, das war ein klarer Fehler. @BMVg_Bundeswehr#deutschemarinehttps://t.co/rJhoKqGYUy
— chiefdeunavy (@chiefdeunavy) January 22, 2022
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