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The show must go on – aber ohne Russen? Wie der Westen alles Russische in der Kunst ausradiert

Die Militäroperation in der Ukraine brachte nicht nur die uralte westliche Russophobie ans Licht, sondern auch den wahrhaft nazistischen Wunsch der westlichen Eliten, alles Russische auszulöschen – auch in der Kunst.
The show must go on – aber ohne Russen? Wie der Westen alles Russische in der Kunst ausradiertQuelle: Sputnik © Viktor Antonyuk

Die Eremitage Amsterdam hat Anfang September seinen Namen in H'ART geändert. Und ein weiterer Schritt getan, um alles, was im europäischen Kulturraum mit Russland in Verbindung gebracht wird, zu streichen. Dabei wurde es ursprünglich als Zweigstelle der berühmten Eremitage in Sankt Petersburg gegründet.

Im Jahr 2022 hatte die Amsterdamer Niederlassung jegliche Zusammenarbeit mit ihrer Petersburger Alma Mater beendet, und jetzt hat sie neue Partner angekündigt: das British Museum in London, das Centre Pompidou in Paris, das Smithsonian American Art Museum in Washington. Die Absurdität des Geschehens scheint nur wenigen Experten für europäische Kunst aufzufallen. Genauso wie andere bizarre Fälle der Abschaffung der russischen Kultur.

"Das ist wie ein Schuss ins eigene Knie", so Michail Schwydkoj, Sonderbeauftragter des russischen Präsidenten für internationale kulturelle Zusammenarbeit. "Die Niederlande haben schon immer eine sehr harte antirussische Haltung eingenommen. In diesem Fall ist das, was sie tun, wie man zu Sowjetzeiten gesagt hätte, ein grober politischer Fehler." Er stellt fest: Kultur spricht zur Ewigkeit, und was in der Politik möglich ist, ist in der Kultur überhaupt nicht umsetzbar.

In den vielen Kultureinrichtungen auf der Welt scheint man dies in den letzten Monaten vergessen zu haben – man hält die Museen offenbar für Filialen eines parlamentarischen Clubs oder einer politischen Bewegung.

Wie zum Beispiel die Leitung des Metropolitan Museum of Art in New York – hier wurden russische Künstler, die im Russischen Kaiserreich geboren worden und tätig waren – Archip Kuindschi, Ilja Repin und Iwan Aiwasowski –, offiziell zu Ukrainern gemacht. Das bedauerte die namhafte Kunstexpertin Jo Vickery, die 20 Jahre lang bei Sotheby's gearbeitet hatte:

"Die Kultur ist zur Zielscheibe geworden. Im vergangenen Jahr gab es zahlreiche Fälle, in denen Museen und Konzerthäuser in Europa und Nordamerika russisches Kulturgut 'storniert' haben. Und nun hat das Metropolitan Museum of Art in New York – offenbar unter dem Druck von Kommentaren in den sozialen Medien – beschlossen, drei Künstler aus seiner Sammlung, Iwan Aiwasowski, Archip Kuindschi und Ilja Repin, als Ukrainer neu zu klassifizieren."

"Wenn man sie als Ukrainer definiert, ohne Russland zu erwähnen, werden sie im Grunde aus dem realen Kontext herausgenommen, in dem sie gelebt und sich beruflich entwickelt haben. Das sieht nach einer Umschreibung der Geschichte aus."

Der Prozess der Auslöschung alles Russischen aus der europäischen Kultur nimmt oft groteske Formen an. So schreibt die Nachrichtenagentur RIA Nowosti:

"Im April des Jahres 2022 korrigierte die Londoner Nationalgalerie den Titel von Edgar Degas' Gemälde 'Russische Tänzerinnen' in 'Ukrainische Tänzerinnen'.
Im Februar des Jahres 2023 tat das New Yorker Metropolitan Museum of Art dasselbe: Nicht 'Russische Tänzerinnen', sondern 'Tänzerin im ukrainischen Gewand'. Dabei spielt es keine Rolle, dass Degas' Gemäldeserie von russischen Künstlerinnen inspiriert wurde, die durch Paris tourten."

Museen sind nur ein Teil des großen Ganzen. Unzählige abgesagte Veranstaltungen mit russischen Kulturschaffenden, geschlossene gemeinsame Kunstprojekte, gekündigte Verträge mit russischen Sängern, Tänzern und Künstlern. Und all dies geschieht aus rein politischen Gründen, jenseits des kulturellen und künstlerischen Rahmens. Die Zeitschrift Afischa schrieb im Jahr 2022:

"Die kulturelle Isolation ist neben den Sanktionen zu einem der stärksten Instrumente des Einflusses der internationalen Gemeinschaft auf Russland geworden. Ausländische Filmstudios, Musiklabels und Schriftsteller stellen ihre Beziehungen zu russischen Partnern und Kollegen ein; zeitgenössische russische Autoren, Künstler und Interpreten sind vom westlichen Markt abgeschnitten. Selbst die Aufführung klassischer Werke, die seit Langem Teil der Weltkultur sind, sorgt für heftige Diskussionen."

Der Politik ist es jedoch nicht gelungen, russische Kunst und Kultur endgültig zu besiegen. Und zuweilen bewirken Versuche, die russische Kultur abzuschaffen, das genaue Gegenteil. "Die für viele westliche Politiker und Stimmungsmacher so wünschenswerte Abschaffung der russischen Klassiker im kollektiven Westen ist nämlich nie passiert", stellen die Autoren von Lenta.ru fest und fahren fort:

"Die Werke des russischen Dramatikers Anton Tschechow, dem es zu verdanken ist, dass das Format der Kurzgeschichte überhaupt in den Kreis der Schriftsteller des 20. Jahrhunderts aufgenommen wurde, werden von europäischen Regisseuren immer wieder neu interpretiert."

"Und die Nachricht über die Abschaffung von Fjodor Dostojewski verbreitete sich schnell in der ganzen Welt, nachdem die Universität Mailand im März des Jahres 2022 beschlossen hatte, das Wahlfach über die Werke des russischen Klassikers abzusetzen. Ein paar Tage später machte die Universitätsverwaltung jedoch einen Rückzieher. Nun gewinnt Dostojewskis Persönlichkeit gerade in Europa immer mehr an Popularität. Ende des Jahres 2022 bekundete sogar der Papst seine Liebe zu dem Klassiker und wies darauf hin, dass Dostojewski die Leser immer noch dazu inspiriert, den Weg des Christentums einzuschlagen. In der Zwischenzeit haben die britischen Sky Studios und das italienische Unternehmen Paco Cinematografica den Start der Miniserie 'Dostojewski' angekündigt. Regie führen werden die Brüder D'Innocenzo, renommierte italienische Filmemacher und Gewinner von Filmfestspielen in Cannes und Berlinale."

Das Jahr 2023 ist eigentlich schon jetzt zu einem Jahr geworden, in dem die klassische russische Kultur weltweit hochgeehrt wird – nach dem Verbot von Tschaikowskis Musik im Jahr 2022 sind die Trends in diesem Jahr überraschend: "Der Nussknacker" auf europäischen Bühnen im Winter, die Jubiläen von Sergei Rachmaninow und Schaljapin, die in Europa groß gefeiert wurden. Vor dem Hintergrund der Russophobie westlicher Politiker erscheinen kulturelle Neuigkeiten im Zusammenhang mit Rachmaninow fast schockierend: Das Estnische Nationale Symphonieorchester tourt mit seiner Musik durch das Vereinigte Königreich, und das Klavierkonzert Nr. 2 des Komponisten steht in diesem Jahr ganz oben auf der Bestenliste von Großbritanniens wichtigstem Klassiksender und einem der beliebtesten der Welt Classic FM.

Wie man in Russland also scherzhaft sagt: "Die Cancel culture ist gecancelt."

"Der Westen wird die Werke von Dostojewski und Tolstoi, Tschechow und Solschenizyn, Rachmaninow und Tschaikowski in keiner geopolitischen Situation ablehnen können", so das Fazit der Journalisten von Lenta.ru, "denn ohne ihre Ideen und Werke ist es unmöglich, sowohl Russland als auch die moderne Welt als solche zu begreifen."

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