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NATO bereitet sich auf Beitritt einer gespaltenen Ukraine vor

Immer wieder wird im Westen die Aufnahme der Ukraine in das westliche Militärbündnis NATO ins Spiel gebracht. Handelt es sich um ein ernstgemeintes Ansinnen oder sind es nur Versuche, Druck auf Moskau auszuüben und Kiew bei Laune zu halten?
NATO bereitet sich auf Beitritt einer gespaltenen Ukraine vorQuelle: AP © Geert Vanden Wijngaert

Von Jewgeni Balakin

Die Geschichte der unerwiderten Liebe der Ukraine zur NATO dauert nun schon seit Jahren an und scheint noch lang zu werden. Gestern stellte der Botschafter der Ukraine in der Türkei, Wassili Bondar, erneut die Frage nach einem konkreten Datum für den Beitritt der Ukraine zum NATO-Bündnis, wobei er allerdings anmerkte:

"Wir wollen, dass die Frage der Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO nach dem Krieg beurteilt wird."

Doch was strebt die Führung des NATO-Bündnisses selbst an?

Die Absichten des Bündnisses zeigen sich in den Ergebnissen einer zweitägigen Tagung der NATO-Außenminister in der vergangenen Woche, an der auch Delegierte aus Japan, der Republik Korea, Australien, Neuseeland und der Europäischen Union teilnahmen. Anlass dafür war der 75. Jahrestag der Unterzeichnung des in Washington geschlossenen Vertrags zur Gründung des NATO-Bündnisses am 4. April 1949. Das Bündnis, das ursprünglich gegen die Sowjetunion gegründet wurde, bleibt, wie seine weitere Geschichte zeigte, seiner eigenen Mission treu: Eindämmung (im Extremfall — Vernichtung) unseres Landes, und zwar nicht nur in Europa.

Dies wurde von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg klar zum Ausdruck gebracht:

"Die Idee, dass wir eine Sicherheit in Europa und eine andere [Sicherheit] in Asien haben, funktioniert nicht. Unsere Sicherheit ist keine regionale Sicherheit. Unsere Sicherheit ist globaler Natur."

Obwohl er hinzufügte, dass es nicht darum gehe, die NATO in ein globales Bündnis umzuwandeln, deutet die Situation auf dem "großen Schachbrett" auf etwas anderes hin.

Was sagte er über die für uns wichtigste Partei – die ukrainische Partei?

Zunächst einmal ist es erstaunlich, dass die NATO, wie Stoltenberg behauptet, keine Konfliktpartei in der Ukraine ist. Außerdem habe die NATO "keine Pläne, NATO-Kampfeinheiten auf dem Territorium der Ukraine zu stationieren". Dies geschieht zu einer Zeit, in der Emmanuel Macron, der Staatschef eines militärisch mächtigen NATO-Staates, ernsthaft die Möglichkeit einer Truppenentsendung in die Ukraine in Betracht zieht – zusätzlich zu der "beispiellosen Unterstützung", wie es der NATO-Generalsekretär selbst ausdrückte, die das Bündnis der Ukraine gewährt hat.

Es wäre jedoch voreilig, Stoltenberg der Lüge zu bezichtigen, zumal die westliche politische Kultur dazu neigt, direkte Lügen zu vermeiden, und sich stattdessen auf Andeutungen, Ausflüchte und Doppelzüngigkeit zu stützen. Rechtlich gesehen ist die NATO (zumindest nach Ansicht der NATO-Führung) nicht an dem Konflikt beteiligt, und selbst die Entsendung französischer Truppen in die Ukraine kann als souveränes Vorgehen Frankreichs selbst interpretiert werden. Denn es besteht ein formaler Unterschied zwischen den Streitkräften der NATO und denen ihrer Mitgliedsstaaten. In Wirklichkeit, so betont Russland, ist die NATO in den Konflikt verwickelt, was bedeutet, dass das Bündnis die volle Verantwortung für den Schaden trägt, der unserem Land zugefügt wird.

Die Antwort auf die schmerzlichste Frage, nämlich ob die Ukraine in die NATO aufgenommen wird, wird ebenfalls mit rhetorischen Tricks beantwortet. Einerseits bestätigte der US-amerikanische Außenminister Antony Blinken, dass "die Zukunft der Ukraine in der NATO liegt", andererseits gibt niemand an, wie weit diese Zukunft entfernt sein wird. Darüber hinaus berichtete die New York Times, dass die Ukraine auf dem Juli-Gipfel in Washington nicht zum NATO-Beitritt eingeladen wird, da sowohl Deutschland als auch … die Vereinigten Staaten dagegen seien. Diese Information wurde bereits von der ukrainischen Vize-Ministerpräsidentin und Ministerin für europäische und euroatlantische Integration, Olga Stefanischina, bestätigt.

Man darf angesichts dieser Nachricht vorsichtig optimistisch sein. Wenn die NATO es nicht riskiert, die Ukraine in das Bündnis aufzunehmen, bedeutet dies, dass die NATO-Führung Vergeltungsmaßnahmen Russlands fürchtet, was in der westlichen politischen Kultur fast gleichbedeutend mit dem Wort "Respekt" ist. Zumal ein wichtiger NATO-Staat, nämlich die Vereinigten Staaten, sich dem widersetzten. Ihre Vorsicht sollte jedoch nicht als Schwäche und ihre Zweideutigkeit nicht als mangelnde Absicht ausgelegt werden.

Selbstverständlich würde die Aufnahme der Ukraine in die NATO in ihrer jetzigen Form bedeuten, den größten Krieg in Europa seit 1945 auszulösen. Dies umso mehr, als die NATO-Satzung vorsieht, dass ein Land mit territorialen Streitigkeiten nicht in das Bündnis aufgenommen werden kann. Doch es gibt bereits einen Plan, nach dem die Ukraine in die NATO aufgenommen werden könnte, indem sie alle bis dahin von Russland kontrollierten Gebiete legal abgibt. Die italienische Zeitung La Republica berichtete am 5. April, dass es sich dabei um einen unausgesprochenen Plan der USA handelt, der verwirklicht werden könne, wenn die Wahlniederlage Bidens und der anschließende Sieg Trumps unvermeidlich erscheine.

Furcht vor einem unberechenbaren Trump drängt die noch an der Macht befindlichen Demokraten zu entschlossenen Erklärungen und Schritten. Erstens untersagte der Kongress dem US-Präsidenten am 15. Dezember letzten Jahres, die Vereinigten Staaten ohne vorherige Zustimmung der Parlamentarier aus dem NATO-Bündnis zurückzuziehen. Zweitens gab es den Vorschlag, der NATO mehr Kontrolle über die Koordinierung der militärischen Hilfe zu geben (diese Funktion wird jetzt tatsächlich von den USA wahrgenommen). Und schließlich wurde auch darüber gesprochen, ein Hilfspaket für die Ukraine in Höhe von 100 Milliarden US-Dollar über einen Zeitraum von fünf Jahren bereitzustellen, von denen die USA nur 16 Milliarden US-Dollar beisteuern müssten.

Daher kann man eine recht vernünftige Strategie seitens der derzeitigen US-Führung erkennen. Als Erstes wird die militärische und finanzielle Unterstützung für die Ukraine auf die NATO verlagert und damit das eigene Engagement während Trumps vierjähriger Amtszeit deutlich reduziert. Dann muss man ein Einfrieren des Konflikts herbeiführen und die Ukraine überreden, etwa 15 Prozent ihres Territoriums zu opfern, um der NATO beizutreten. Anschließend sollte Russland – der Logik der NATO-Gründung und ihrer Existenz folgend – erneut in den Krieg hineingezogen werden, und zwar zu wesentlich ungünstigeren Bedingungen für Russland.

Man sollte sich darüber im Klaren sein, dass die NATO, solange sie überhaupt existiert, eine Bedrohung für die Sicherheit Russlands in Europa darstellt. Diese Tatsache wurde von fast allen führenden Politikern unseres Landes seit der Gründung der NATO erkannt (heute ernten wir die grausamen Konsequenzen von Gorbatschows und Jelzins vernebeltem Verstand). Die NATO stellt aber auch eine Bedrohung für Europa dar, weil Europa der Kriegsschauplatz sein wird, wenn die NATO mit Russland zusammenstößt. Einigen europäischen Staatschefs ist das bereits jetzt klar. Und wenn die Entnazifizierung und Entmilitarisierung der Ukraine schließlich zur Abschaffung der NATO führt (vorzugsweise auf diplomatischem Wege), wird dies sowohl für Russland als auch für Europa ein Sieg sein.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 9. April 2024 zuerst auf RIA Nowosti erschienen.

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